sacherundsacher

Zum Katalog: pdf Siegelungen im Raum  sacherundsacher

Spiegelbild und Wirklichkeit treten auseinander und auch wieder zusammen und gewinnen die Qualität paralleler Welten, die sich überlagern wie beim Doppelspaltexperiment der Quantenmechanik. Sie spalten sich auf wie Sacher und Sacher, um schließlich wieder in sacherundsacher zusammenzufallen und sich aufzuaddieren, dann haben wir wieder die eindeutige Realität, aber dazwischen haben wir die Fülle der Möglichkeiten oder Wahrscheinlichkeiten, die man auch als unendlich viele parallele Wirklichkeiten begreifen kann.
Aber man kann auch den Spiegelungen und Doppelungen, die sich durch weitere Spiegel bis ins Unendliche vermehren lassen und die sich ständig um uns herum entwickeln, sich überlagern und wieder verschwinden, nicht recht entfliehen, es sei denn, man vermeidet den Blick in die Spiegel, die rund um uns in vielfältiger Form aufgestellt sind, nur sieht man sich dann selbst auch nicht mehr und

 

verliert neben der Fülle der Möglichkeiten der Welterfahrung auch sein eigenes Bild. Spiegelungen sind zudem ein Verfahren, die Qualitäten und den Sinn von Figuren und Objekten nicht direkt an- und auszusprechen, sondern durch Abspiegelung in einem Gegenüber in der Wirkung zu steigern und Subjektiv-Erfahrenes in eine symbolische Aussageform zu verwandeln. „Bedenkt man nun, dass wiederholte sittliche Spiegelungen das Vergangene nicht allein lebendig halten, sondern sogar zu einem höheren Leben emporsteigern, so wird man der entoptischen Erscheinungen gedenken, welche gleichfalls von Spiegel zu Spiegel nicht etwa verbleichen, sondern sich erst recht entzünden, und man wird ein Symbol gewinnen dessen, was in der Geschichte der Künste und Wissenschaften, der Kirche, auch wohl der politischen Welt sich mehrfach wiederholt hat und noch täglich wiederholt.“

Johann Wolfgang  von Goethe – Wiederholte Spiegelungen

Wenn wir, indem wir zusammenleben, uns trennen, so wird aus dem logischen UND ein psychologisches, ein rezeptionsästhetisches Phänomen. Das unterscheidet uns von Brüderpaaren (wie Saatchi & Saatchi), aber auch von den Zwillingen, die, obschon zwei, doch eine kompakte Einheit darstellen: ein vierbeiniger Doppelkopf, in dem sich alles wiederholt: die Schuhe, die Strümpfe, das gleiche dumme Gesicht etc. Einmal bin ich, nur so zum Spaß (der andere Sacher wollte nicht) zum Zwillingskongress nach Melbourne gepilgert. Und, haben sie gefragt, wo ist der andere Sacher? Ich habe gesagt:

Sacher kommt nicht. Oder wenn, so kommt er zu spät. Aber gerade deswegen habe ich ihn adoptiert. Wenn ich repräsentiere, arbeitet er. Und wenn er sich seinerseits für mich in die Öffentlichkeit stürzt, dann nutze ich meine Zeit – gehe zur Doppelkopfrunde oder versenke mich in das Buch, das ich lese derzeit: The Culture of the Copy. Ich weiß nicht, ob die Zwillinge das verstanden haben. Auf jeden Fall stand ich, unter all diesen Zwillingspaaren, ganz allein – nur mit dem Barkeeper und seiner Frage, ob ich wisse, wie man diese Torte zubereitet. Aber gewiss doch, man braucht Eier dazu, ganz viele Eier…

Stadtmuseum Oldenburg 2005
Einzelausstellung mit Katalog
Spiegelungen
Text: Dr. Ewald Gäßler, Dr. Martin Burckhardt

Titelbild: Zusammenarbeit mit Stefan Schröter Berlin                                                     sacherundsacher   Scott auf dem Rückweg von seiner Südpolexpedition

Seit ich ihn adoptiert habe, fühle ich mich ein bisschen wie Warhol. Oder wie Stalin. Oder eine Mischung aus beiden. Irgendwie neutralisiert. Oder erleichtert – von jener Heiterkeit, wie sie nur das Alter oder ein Groucho Marx zuwege bringen. Gleichwohl passiert’s mir noch immer, dass mir ein Bild ins Gesicht springt, geradewegs. Wie ein Raubtier. Man verlässt das Atelier, geht über die Straße, wo der Zeitungshändler schon auf mich wartet (mit der frohen Botschaft, dass die Seglerrevue eingetroffen ist), und plötzlich bleckt einen diese Losung an, auf rosa Papier.

KAPITAL IST KUNST

Und ich frage mich: Was soll das bedeuten? Warum bringt das Wall Street Journalausgerechnet einen solchen Aufmacher? Ich habe es mir zuhause auf die Tafel gemalt
KUNST = KAPITAL
KAPITAL = KUNST
Irgendwann begreift man natürlich, worin der Fehler der Losung besteht. Dass in der Mitte kein

Gleichheitszeichen, sondern ein Ungleichheitszeichen stehen muss, nein genauer noch: ein großes X. Ein X fürs Unbekannte. So wie es da steht, ist es nämlich egal, was KUNSTist und was KAPITAL. Insofern die Terme austauschbar sind, hat man es mit einem zwielichtigen Bastard zu tun, der sich, je nachdem, als KUNSTKAPITALoder als KAPITALKUNST gebärdet. Wie auch immer man ihn anspricht, er wird einem den Rücken zukehren. Sage ich KUNST, hält er mir das KAPITALvor die Nase, sage ich KAPITAL, hat er mich schon gleich herausexpediert, mit dem Hinweis, dass ich in der Vergangenheit wohl aufs falsche Pferd gesetzt habe. – Und während ich draußen vor der Tür stehe und wütend eine Tüte Haribo in mich hineinschlinge, dröhnt mein Kopf und skandiert, dass es hier keine Gleichung gibt, sondern dass man diese Formel als Metamorphose oder Gestaltwandel lesen muss. Nicht als Nullsummenspiel (bei dem die Terme sich gegenseitig auslöschen), sondern als einen offenen Prozess, einen Prozess, der auf einen Fluchtweg hinausläuft. Und ich gehe, noch immer wütend meine Lakritzmischung kauend, über die Straße und werfe mich in den Habit eines Designerguerillas, mit dem Kommandante Che auf der Brust. Gott, wie abgeschmackt das doch ist!.

Soldaten Installation 2015