Zum Katalog Landesmuseum Oldenburg
Bevor Dieter Härtel 1993 nach Hamburg übersiedelte, war er in Oldenburg und in der benachbarten Region bereits durch mehrere Ausstellungen aufgefallen, so dass schon in seinen Oldenburger Jahren bei uns der Wunsch entstanden war, seine Arbeit einmal im Landesmuseum vorzustellen. Seit seinen Hamburger Jahren hat er mit großer Intensität an seiner Malerei gearbeitet; sein malerisches und zeichnerisches Werk hat gerade in jüngster Zeit an Konsequenz und Qualität gewonnen. Am Anfang seiner Oldenburger Jahre standen mehr oder weniger abstrakte menschliche Figurationen,
Blauer Traum Acryl auf Leinwand 150cm x 170cm 1987
von denen er sich Ende der 1980er Jahre zugunsten eines neuen bestimmenden Themas entfernt: der Dingwelt. Am Ende dieser Periode, wie bereits die Ausstellung im Oldenburger Kunstverein 1992 belegt, weisen seine Bilder ausschließlich Gefäßformen auf. Diese werden aber nicht abbildlich dargestellt, sondern als eine Art Neuerfassung bzw. Neuerfindung des Gegenständlichen gezeigt: die philosophische Ergründung des Gegenstandes. So lautet auch ein Bildtitel: „Quod res est / was tatsächlich ist“. Nicht das Gefäß ist die eigentliche Sache, sondern der malerische Prozess – das Zeichen für ein Ding. Das ist die Sache, um die es dem Maler geht.
Quod res est Acryl auf Leinwand 220cm x 145cm 1992
Folglich exiliert er die Dingwelt der Gefäße, die sich ihm in eine Bildwelt bloßer Gefäß-Chiffren darstellt. Gegenständliches wird nur noch als Subtext erkennbar. Schrilles Industriefarben-Grün, mit denen Dieter Härtel seine Großformate grundiert, bieten ihm eine dialektische Spannung zwischen der vitalen Wirklichkeit der modernen Welt und den Verletzungen unserer Existenz (schreiendes Grün).
Der Rückverweis auf Gegenständliches in den Zeichen der Ausdrucks-Chiffren gibt der Malerei von Dieter Härtel etwas Transitorisches. Sie behält die Unruhe des nicht Abgeschlossenen aufrecht, des bewusst Unvollkommenen im Bilde, welches das Bewusstsein auf ein Nicht-Darstellbares schärfen möchte.
Chiffren Nr. 734 Acryl auf Leinwand 170cm x 320cm 1997
Es ist ein Aspekt der Lichtmalerei, dem sich Dieter Härtel in seiner Lichtkreise-Installation zugewandt hat. Dieser Arbeit ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Gefäß vorausgegangen. Indem es andere Körper in sich zu fassen verspricht, wird es zur Chiffre, zum Meta-Objekt für alle erdenklichen Körper. Auf diesen Bildern findet etwas statt, was man eine „Rückbildung“ im positiven Sinne nennen könnte: die Reduktion auf die Form der Formen, den Körper als solchen zu problematisieren, sein Volumen, sein disegno, sein Verschwinden im Raum, sein Erscheinen als jäher Farbblitz oder in der Chromatik des Farbwolkenraumes.
Mit der Gefäße-Serie wird die Frage nach dem Fassungsvermögen des Tafelbildes überhaupt gestellt. Wenn Härtel hier den Begriff der unendlichen Fläche entwickelt, so bezeugt dies, dass auch das Tafelbild, das eine Reihe von Räumen und Zeitschichten in sich birgt, sich als ein Träger von Gedanken zeigt, der dem abgebildeten Körper vorausgeht.
Installation Lichtkreise 300cm x 300cm
LANDESMUSEUM OLDENBURG 1997
Text: Dr. Peter Reindl, Dr. Friedrich Gross, Dr. Martin Burckhardt